Muslime bitten zu Tisch

Ein schweizerisch-türkischer Verein will Brücken zwischen den Kulturen bauen – und lädt darum alle Interessierten an Familientische ein.

Özcan und Sabiha Özdemir

Özcan und Sebiha Özdemir laden interessierte Gäste ein, um ihnen zu zeigen, wie in islamischen Familien Ramadan gefeiert wird.

Am 6. Juni beginnt für die Muslime der Fastenmonat Ramadan. 30 Tage lang, bis am 4. Juli, dürfen Gläubige tagsüber weder essen noch trinken. «Für uns ist dieser Monat nicht nur eine Zeit der Enthaltsamkeit», sagt Özcan Özdemir, «sondern auch ein Fest.» Zum Fastenbrechen am Abend – jeweils etwa um 21.30 Uhr – lädt man häufig Verwandte oder Freunde ein. «Traditionell wird dann als erstes eine Dattel gegessen oder Wasser getrunken», erzählt Sebiha Özdemir. «Jede Familie hat eigene Traditionen.»

Wer Interesse hat, ist eingeladen

Das Ehepaar Özdemir aus Oberwinterthur lädt dieses Jahr nicht nur Bekannte zum abendlichen Fastenbrechen ein, sondern alle die sich dafür interessieren. «Gerade in der heutigen Zeit finden wir es wichtig, dass man andere Kulturen kennenlernt», sagt Sebiha Özdemir. «Und das geht doch am besten direkt mit einem Besuch bei jemandem zu Hause.» Es werde in den Nachrichten so viel über den Islam berichtet. «Leider meistens in Zusammenhang mit Krieg und Terror», sagt Özcan Özdemir. «Wir wollen zeigen, wie normale islamische Familien in Winterthur leben.»

Der Besuch am Familientisch wird vom islamischen Dialog-Institut in Zürich organisiert. Dieses ist ein Teil der weltweiten Hizmet-Bewegung mit Vordenker Fethullah Gülen. Der islamische Verein organisiert regelmässig Diskussionsabende in Winterthur. Die Gülen-Bewegung wird einerseits als pazifistisch und sozial gelobt, andererseits aber auch als verschlossen und undurchsichtig kritisiert. Der «Landbote» hat zweimal Veranstaltungen der Gülen-Anhänger in Winterthur besucht: Es waren offene Anlässe mit diskussionsfreudigem Publikum.

Start in diesem Jahr, trotz langer Tage

Ramazan Özgü, Geschäftsführer des Dialog-Instituts, sagt: «Wir haben festgestellt, dass die Einladungen im Fastenmonat Ramadan fast immer rein unter Muslimen stattfinden.» Die Idee, dies zu ändern und kulturübergreifende Einladungen zu organisieren, hatte man schon vor Jahren. «Doch da lag der Ramadan immer in den Sommerferien.» Der Fastenmonat richtet sich nach dem Mondkalender und verschiebt sich jedes Jahr um etwa zehn Tage. Diesmal ist das Fastenbrechen zwar jeweils besonders spät am Abend, weil der Ramadan in der Zeit mit den längsten Tagen liegt. Trotzdem hat sich der türkische Verein dafür entschieden, die Aktion nun zu starten. «Wir wollten nicht noch jahrelang warten, bis sich der Fastenmonat wieder in den Winter verschiebt», erklärt Özgü.

In der Region Winterthur beteiligt sich rund ein Dutzend Gastgeber an den Einladungen. «Ich bin sicher, wir würden auch noch mehr Gastfamilien finden, falls sich viele Interessierte melden», sagt Özgü. «Das Echo auf die Idee ist sehr gross.» Wenn es dank der Werbeoffensive auch zu mehr privaten Einladungen ohne Vermittlung des Vereins komme, sei ihm das nur recht, sagt Özgü: «Das ist auf lange Sicht ja das eigentliche Ziel.»

Das Menu: Datteln, Suppe und Überraschungen

Um bereits jetzt Schwellenängste abzubauen: Die Özdemirs sprechen, wie die meisten der beteiligten Familien, fliessend Schweizerdeutsch. Özcan, 36-jährig und Betriebsleiter der Winterthurer Firma Home Gebäudemanagement, ist hier geboren und aufgewachsen. Sebiha lebt in der Schweiz seit sie sieben Jahre alt ist. Die beiden haben zwei Kinder im Schulalter. Sebiha trägt ein Kopftuch: «Ich bin mich das von klein auf gewohnt, es gehört für mich einfach dazu.» Sie fühle sich wohl so, auch im Sommer: «Manchmal habe ich an heissen Tagen sogar das Gefühl, ich schwitze weniger als Frauen ohne Kopftuch.»

Und was bekommt man aufgetischt, wenn man sich für ein Fastenbrechen bei den Özdemirs anmeldet? «Sicher Datteln», sagt Sebiha Özdemir. «Oft koche ich eine traditionelle Linsensuppe. Und sonst gibt es viele Rezepte, Sie müssen sich eben überraschen lassen.»

(Der Landbote)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.